Drachen sind ungemütliche, laute Geschöpfe, so meine Eltern. Ja, okay, sie sind schon recht laut. Demnach war es ein kleines bisschen gerechtfertigt, dass meine Mutter in Ohnmacht fiel, als ich vor einem Jahr mit Ido auftauchte. Auch auf meine Entgegnung, Ido sei ein zahmer Drache, folgte keine bewegende Reaktion. Vielleicht lag es daran, dass er die Elfe meiner kleinen Schwester Zaray gefressen hatte, vielleicht aber auch, weil er Moms pinke Lieblingsgardine versehentlich in Brand steckte, als Zaray ihn mit ihrer Stoffpuppe prügelte, ich weiß es nicht. Den Rest des Tages verbrachte ich mit Ido draußen, damit das Personal Ido nicht sehen musste. Ich weiß nicht, was an Ido sie verschreckte. Waren es die kleinen Beißerchen, die unsere Köchin zwei Wochen später schockiert ins Nirvana geschickt hatten? Weitere 2 Monate später hatte meine Schwester eine neue Elfe und das Personal hatte sich daran gewöhnt, dass ein Minidrache durch unser Grundstück latschte und immer noch mit Vorliebe Stoffe anfackelte. Warum Ido eines Tages abhaute, war mir schleierhaft. Meine Familie gab sich Mühe, so zu tun, als wären sie traurig, doch ich kannte sie und wusste, dass sie erleichtert waren. Drei Monate lang starrte ich vergebens auf den Zauberwald, in dessen Richtung mein geliebter Gefährte verschwunden war. Vielleicht hatte ihn der Ruf der Wildnis gepackt. Am Ende des dritten Monats lag ich auf dem Rücken und beobachtete die vorbeiziehenden Wolken, als Zaray zu mir gerannt kam und mir nach Luft schnappend erzählte, sie habe in der Nähe des Waldes etwas gefunden, das auf Ido hindeute. Als ich an der besagten Stelle ankam, sah ich im Matsch die kleinen, verwischten Spuren eines Drachen. Doch das musste nicht Ido sein. Es gab hier in der Gegend eine Menge Drachen. Traurig schaute ich in die dichten, dunklen Bäume des Zauberwalds, darauf hoffend, in den moosigen Zweigen ein Zeichen von Ido zu entdecken. Nichts. Doch, da, ein Schemen wankte auf mich zu. Erleichtert stürzte ich auf Ido zu und zerrte ihn in eine meiner erdrosselnden Umarmungen. Ich war so froh, ihn lebendig zu sehen, dass ich erst nicht bemerkte, dass er weißen Speichel spuckte. Irgendwas stimmte nicht mit ihm. Er war ganz offensichtlich krank. Vielleicht hatte er etwas giftiges gegessen. Je mehr ich darüber nachdachte, desto sicher war ich mir. Eins war jedoch klar: Er brauchte einen Arzt. Wie ohnmächtig schleifte ich meinen treuen Gefährten hinter mir her, weil er viel zu schwer zum Tragen war. Trotzdem versuchte ich, ihn möglichst sanft über die hubbeligen Steine zu ziehen. Bei unserer Ärztin machte ich halt. Sie war die Einzige im Haus, die keine Angst vor Ido hatte.
Ich blieb bei ihr, während sie die Diagnose machte. Am Schluss war es klar: Er hatte eine Zauberblume gefuttert. Innerhalb der nächsten Tage würgte Ido alles aus, denn die Blume war zwar unangenehm, aber nicht lebensbedrohlich. Meine Schwester versteckte ihre Elfe in einem Schuhkarton und meine Mutter hängte endlich ihre grässlichen Gardinen ab. Ido lebt auch heute noch glücklich bei mir.